Mit Gro Steinsland in Granavollen

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In der Region Granavollen trafen wir Gro Steinsland und führten ein spannendes Interview mit ihr vor den Geschwisterkirchen. Gro Steinsland ist Religionshistorikerin und hat          35 Jahre als Professorin an der Universität in Oslo gearbeitet. Ihre Forschungsgebiete umfassen Themen wie vorchristliche Religionsgeschichte oder Leben und Gesellschaft im Mittelalter. Außerdem beschäftigte sie sich viel mit den Christianisierungsprozessen der skandinavischen Länder. Wir hätten also einiges versäumt, wenn wir im Rahmen unseres Projektes nicht die Gelegenheit genutzt hätten, ein Treffen mit ihr zu arrangieren.

Ganze 300 registrierte Grabhügel gelten in der Region Granavollen als Spuren aus vorchristlicher Zeit. Doch die Landschaft ist auch durch sehr alte Steinkirchen, wie die Geschwisterkirchen, geprägt. Diese waren eher unüblich in diesem Land, war und ist Norwegen doch besonders für seinen Holzkirchen bekannt. Die Steinkirchen stammen aus dem christlichen Mittelalter. Hinter der Nikolaikirche, einer der Geschwisterkirchen, befindet sich ein Runenstein mit christlicher Inschrift während in der Umgebung sich Grabhügel über die Landschaft erheben. Dies ist jedoch nicht das einzige Beispiel für die Verschmelzung vorchristlicher und christlicher Geschichte. Im Hadelandet Folkemuseum bei Tingelstad steht der imposante Dynnastein: ein Runenstein aus dem Jahre 1040, auf dem die älteste Darstellung der Weihnachtsgeschichte abgebildet ist. Dieser Stein wurde von einer Mutter im Gedenken an ihre verstorbene Tochter direkt auf deren Grabhügel errichet.

Dynna_stone,_Hadeland_Folkemuseum,_2008-06-01

Dynnastein in Tingelstad

Durch die um 1024 von Olav dem Heiligen eingeführten Kristenrettene wurde das Christentum als einzige Religion festgelegt und heidnische Bräuche wurden entweder ganz verboten, oder immer mehr verdrängt. Das Christentum stellte eine große Stütze für die Königsmacht dar und vereinfachte Handel und Kommunikation mit dem restlichen christlichen Europa. Selbstverständlich war die Christianisierung ein langer Prozess und vollzog sich nicht von einen Tag auf den anderen. Das Heidentum war noch lange präsent und erfuhr viele Jahrhunderte später vor allem in der Nationalromantik ein erneutes Aufleben. Es war eine Zeit, in der man sich auf seine Wurzeln zurückbezog und nach nationaler Identität suchte. Laut Gro Steinsland war es im 19. Jahrhundert üblich, sowohl die Bibel als auch Snorres Heimskringla im Bücherregal zu haben, was heißt, dass beide Traditionen nebeneinander leben konnten.

Auf die Frage, wie wichtig das Heidentum heutzutage noch ist, antwortet Gro, dass der vorchristlichen Religion in der heutigen Gesellschaft nicht sehr viel Gewicht beizumessen sei. Allerdings seien mythologische Erzählungen und die Skaldik als Quellen von großem Wert und kulturhistorisch sehr bedeutungsvoll. Diese Schriftstücke seien auch identitätsbildend und stünden mit nationalem Stolz in Verbindung.

Ein weiteres identitätsbildendes Merkmal der Norweger sei die Nähe zur Natur. Gro unterstreicht den hohen Stellenwert der Natur und sagt, alles sei in die Natur eingebettet, auch das Pilgern als religiöse Erfahrung. Über die Verknüpfung zur Natur erzählt uns Gro von dem Mímisbrunnr Klimapark 2469, ein Projekt, in welches besonders ihr Mann involviert sei. Der Klimapark befindet sich in Lom im Jotunheimen Gebirge und zeichnet sich durch einen Eistunnel aus, der ganze 70m in einen Gletscher reicht. Vor Ort können Gäste spannende Installationen über Klimageschichte und –wandel, aber auch alte Jagdtraditionen erfahren. In den letzten Jahren ist in dem Gebirge viel Eis geschmolzen und es kamen über 700 archäologische Funde zu Tage, so zum Beispiel ein 3000 Jahre alter Schuh!

Build up video vom Mímisbrunnr Klimapark

Doch warum heißt der Klimapark Mímisbrunnr? Mímisbrunnr ist in der nordischen Mythologie die Quelle der Weisheit, die von dem Riesen Mímir bewacht wird. Odin opfert ihm sogar ein Auge, um von dem Brunnen zu trinken. So soll der Klimapark eine Wissensquelle der heutigen Zeit darstellen. Im Eis sind verschiedene Räume den Welten Midgard, Utgard und Ásgard nachempfunden und Ausstellungen und Filme bieten die Möglichkeit, in faszinierende Themen einzutauchen.

Gro betont, dass die heidnischen Menschen der während der Christianisierung Angst vor dem Weltenende Ragnarøk hatten, genau wie die Christen vor der Apokalypse während der Jahrtausendwende und auch wir fragen uns heute wieder, was aus unserer Welt werden mag. Der Klimapark richtet die Aufmerksamkeit auf die Herausforderungen unserer Zukunft und bringt einem so gleichzeitig Kulturgut und Geschichte näher.

Der Link zum Klimapark:

http://mimisbrunnr.no/

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Bildquelle: Dynnastein

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