Es kam ein Mann im Regenwetter…

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Artikel von Adrian Schneider

„Es kam ein Mann im Regenwetter, der nichts von diesem Ort wusste. (…) Mein Nachfolger, der ein sehr sozialer Typ ist, und ich, wir waren beide da und haben uns gefreut. Wir holten ihn rein… Er hatte ein schmerzendes Knie, also mussten wir einen Arzt finden und ihn versorgen. Er blieb vier Tage, und um es nicht zu lang zu machen: Er schrieb ins Gästebuch, dass er unterwegs war um sich selbst und seinen Glauben zu finden, er wisse aber noch nicht, ob er seinen Glauben schon gefunden habe, aber er habe einen neuen Glauben an die Menschen gefunden. Das war ein schönes Erlebnis.“

Mit dieser kurzen Anekdote veranschaulicht uns Lasse Gran, was für ihn ein essentieller Teil des Pilgerns ist: Die Begegnungen mit den Menschen unterwegs, die Gastfreundlichkeit, Unterstützung oder auch Hilfe in schwierigen Situation, die einem entgegengebracht wird und das daraus entstehende Vertrauen in die Menschen.

Lasse Gran hat in seinem Beruf viele Menschen kennengelernt. Mehr als 40 Jahre ist er bereits aktiv in der Gemeinde Hoff, zunächst fünf Jahre in der Jugendarbeit, den Großteil seiner Zeit arbeitete er als Gemeindepfarrer.

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Die Region rund um seine Gemeinde trägt einen für deutsche Reisende zunächst gewöhnungsbedürftigen Namen: „Toten“. Im Norwegischen weckt der Name dieser Region der Fylke „Oppland“ keinerlei Assoziationen mit dem Lebensende, weshalb man sich auch nicht fürchten muss nur auf schwere Gemüter und Endzeitstimmung zu treffen. Wenngleich man doch erstmal schluckt, wenn plötzlich riesige Lastwagen eines lokalen Distributionsunternehmens mit der großen Aufschrift „Toten Transport“ an einem vorbeirauschen.

Im Gespräch mit Lasse Gran erfahren wir, dass Toten alles andere als „tot“ ist. Die Landschaft ist bekannt für ihre fruchtbaren Böden. Archäologische Funde deuten daraufhin, dass die Gegend schon früh landwirtschaftlich genutzt wurde und sich in der Eisenzeit ein Zentrum bildete. Vermutlich war hier vor der Christianisierung der Fruchtbarkeitskult um Frøy und Frøya am weitesten verbreitet. Man sei in der Region sehr interessiert an der Lokalgeschichte, das habe allerdings wenig mit religiösem Bewusstsein zutun. Lasse Gran zitiert im Interview den norwegischen Dichter Bjørnstjerne Bjørnson mit dem Ausspruch: „Kirken står på et høyt sted i bygda“ (Die Kirche steht auf einem hohen Punkt im Dorf).

Nachdem sich Toten dann lebendiger herausstellt als befürchtet, überrascht es nicht, dass das Gemeindezentrum direkt neben der Kirche ein Ort der Begegnung ist und auch als Pilgerherberge dient. Noch ist die Übernachtungsmöglichkeit ein Geheimtipp, man ist aber sehr bemüht auf sich aufmerksam zu machen, um zukünftig noch mehr Pilgern ein Ort der Rast zu bieten. Es ist bemerkenswert, dass die sehenswerte, altehrwürdige Steinkirche aus dem 12. Jahrhundert durchgehend für Pilger geöffnet ist. Schließlich ist das sehr erfreulich, in Anbetracht dessen, dass man vielerorts auf geschlossene Kirchen trifft. An dieser Stelle können wir das Werben der Gemeinde nur unterstützen und empfehlen jedem der die Pilgerreise antritt, auch einen Besuch der Hoff Kirche und Gemeinde einzuplanen.

Auch wir hatten auf unsere Route zunächst nicht vorgesehen dort zu rasten. Lasse Gran und seiner Gemeinde eilt ihr guter Ruf allerdings weit voraus. Als wir uns bei Kaffee und Waffeln mit dem Diakon des großen Pilgerzentrums der Geschwisterkirchen in Gran unterhielten, empfahl er uns unbedingt Kontakt mit Lasse Gran aufzunehmen, da er ein sehr sozialer Mensch sei und sich immer über Pilgerreisende freue. Nur ein paar Kilometer weiter, als wir wieder mal an eine unbekannte Haustür klopften um unsere Wasservorräte aufzufüllen, öffnete uns eine nette alte Dame, die direkt ins Schwärmen geriet, als wir ihr erzählten, dass wir auf dem Weg zu Lasse Gran sind. Sie füllte unsere Flaschen auf, wünschte uns viel Glück für unsere Reise und bat uns ihn unbedingt von ihr zu grüßen.

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Lasse Gran und die Wanderstudenten stärken sich mit Pølse und Orangensaft

So kam es also, dass wir, ohne es vorher geplant zu haben, Lasse Gran treffen und interviewen durften. Somit wurden wir um eine inspirierende Begegnung und ein tiefgründiges sowie humorvolles Interview reicher. Außerdem kamen wir in den Genuss einiger Stunden wohltuender Rast und wanderten westlich des Mjøsa gestärkt in Richtung Norden, bevor wir am nächsten Tag mit Skibladner nach Hamar übersetzen sollten, zur Ostseite des größten, norwegischen Binnensees.

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Rund 250 Kilometer steckten schon in den Beinen

Lasse Gran – 40 Jahre in Toten, ein echter „Pastor loci“, wie er selbst im Interview sagt. Die Leute in der Region kennen und schätzen ihn. Nach so vielen Jahren neigt sich seine Amtszeit jetzt dem Ende zu. Sein Nachfolger tritt in große Fußstapfen, doch die Zeichen stehen gut. Die alte Dame lobte ihn nämlich bereits als sehr sozialen und offenen Menschen, der ganz ähnlich wie der Lasse, also ein „junger Lasse Gran“ sei.

Die beiden verstehen sich sichtlich gut, wie dieser Artikel aus der Lokalzeitung „Oppland Arbeiderblad“ zeigt. Dennoch stellen beide klar, ein „Lillelasse“ (kleiner Lasse) will sein Nachfolger Eystein Elde nicht sein.

http://www.oa.no/nyheter/article6874706.ece


Externe Bildquelle Bild 2:   Øyvind Holmstad, 2012. Licence:  CC BY-SA 3.0 Titel: Hoff kirke ved Lena på Østre Toten. Source: „Hoff kirke på Østre Toten AB“ by Øyvind Holmstad – Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons –

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